[1] Projektmanagement
      [1.1] Basisarbeit und Konzeption (Projektvorbereitung)
      [1.2] Design und Gestaltung (Projektdesign)
      
[1.3] Projektgruppe, -manager und -teams (Projektplanung)
      [1.4]
Templates und Grafiken (Projektdurchführung)
      [1.5]
Umsetzung und Produktion (Projektdurchführung)
      
[1.6] Test und Publikation
[2] Usability und Software-Ergonomie
      [2.1] Human-Computer-Interaction
      [2.2] Optimierung der Arbeitsplatzgestaltung
      [2.3] Gestaltungsregeln


[1] Projektmanagement

Multimediaprojekte sind durch komplexe, innovative und zeitkritische Problemstellungen
gekennzeichnet. Ein Projektmanagement soll bei der Bewältigung dieser Schwierigkeiten
helfen.

Zwei Ebenen sind innerhalb des Projektmanagements dabei von Bedeutung:

Strategische Ebene

Die Strategische Ebene enthält die Zieldefinition und die Projektklassifikation. Sie
stellt die Voraussetzung für eine angemessene Planung und Realisierung sowie eine
effektive Kontrolle des Projektes dar.
Bei der Projektklassifikation ist zu entschieden, ob es sich beim Typ um eine
Individuallösung, einer Branchenlösung oder einer Standardlösung beim Benutzer
um einen geübten bzw. bezüglich der Formulierbarkeit um einen "Standard"
Benutzer handelt

Operative Ebene

Die operative Ebene beschäftigt sich mit der Aufbauorganisation, Prozessgestaltung
und den Werkzeugen. Hier werden Teams erstellt, Kompetenzen gesetzt, Phasen
bzw. Zwischenschritte (Meilensteine) definiert, Methoden und Werkzeuge festgelegt.

Die Planung (Strategische Ebene) und Produktion (Operative Ebene) von Web-
Projekten kann als Prozess aufgefasst werden, der herkömmlichen "EDV-Projekten"
ähnelt. Dennoch sind die Prinzipien klassischer Systemplanung nur sehr bedingt
anwendbar, sind doch die Rahmenbedingungen des Internets und im speziellen des
World Wide Web, verglichen mit betrieblichen EDV-Systemen, sehr unterschiedlich.
Obwohl eine Konvergenz der Systeme "IT" bzw. "IKT" und Internet deutlich zu
beobachten ist (Intranet - Extranet - Internet), sind aus heutiger Sicht dennoch
große Unterschiede in der Zielsetzung, der Zielgruppen, der Sicherheitsanforderungen
u. a. m. zu beobachten.

In Anlehnung an: Ralf Lankau: "WebDesign und - publishing", München, Wien 2001,
wird im folgenden ein Fünf-Stufen-Modell zur Planung und Produktion von Web-
Projekten dargestellt.

[1.1] Basisarbeit und Konzeption (Projektvorbereitung)

Die Phase der Projektvorbereitung beschäftigt sich mit dem gestellten Problem und
dessen Analyse. Ziel ist es eine Machbarkeitsanalyse (feasibility) unter Berücksichtigung
von Alternativen und Risiken zu erarbeiten, die über die Sinnhaftigkeit und Realisierbarkeit
des Projektes Auskunft gibt. Viele Fragen gilt es zu beantworten.
Eine exemplarische Auflistung möglicher Fragen werden nachstehend aufgelistet.

Projektziel, Zielgruppe und Inhalt

Das Wesentlichste am Beginn aller Projekte ist die Zielsetzung. Dies gilt
selbstverständlich auch für Web-Projekte. Es gilt, womöglich genau festzulegen:

Welches Thema soll bearbeitet werden (weniger ist oftmals mehr) ?
Wer soll mit diesem Thema angesprochen werden (Zielgruppe) ?
Welche Inhalte sind demnach Pflicht (und was ist Kür) ?

Abgeleitet von der Beantwortung dieser Fragen können Technik, Umfang, Gestaltung,
Zeitrahmen und Aufwand und Kosten, geschätzt bzw. ermittelt werden.

Inhalt und Zielgruppe
Der Inhalt eines Projektes hängt stark von der zu erreichenden Zielgruppe ab. Der
Zweck hinter einem Projekt bestimmt stark die Art und Weise der Informationspräsentation
und hat somit auch Auswirkungen auf den Inhalt.
Schluss: Der Inhalt und die Zielgruppe wirken sich auf die Gestaltung und Didaktik, die
dem Projekt zugrunde liegt.

Der Zweck eines Projektes kann in Bezug auf die Zielgruppe folgender sein:
Ist es Wissensvermittlung ? - Grad der Komplexität auf die Zielgruppe abstimmen !
Ist es Produktwerbung ? - Botschaft und Dramaturgie auf die Zielgruppe abstimmen !
Ist es Unterhaltung ? - Welche Altersgruppe ist meine Zielgruppe ?
Ist es Training ? - Bestimme die Art des Trainings (z.B.: Kiosksystem) ?
Ist es ein Lehrsystem ? - Welches Fach, welche Erwartung und welche technischen Voraussetzungen ?
Ist es ein Lernsystem ? - Unterrichtsbegleitend oder Selbststudium !

Folgende Punkte sollen für die Zielgruppe geklärt werden:
Wer ist der Anwender ?
Welche Plattform benutzt er ?
Wo ist der Einsatzort ?
Welche Erfahrungen, Motivation, Fachwissen, Ausbildung und Know-how hat der Anwender ?
Handelt es sich um eine homogene oder heterogene Zielgruppe ?
Gibt es am Markt bereits ähnliches ?

Folgende inhaltliche Aspekte müssen besprochen und durch Angaben bestimmt werden:
Umfang und Tiefe des Inhaltes
Die Reihenfolge der Präsentation
Der Inhalt muss zum definierten Ziel des Projektes führen
Bei Lernsystemen sind didaktische Aspekte zu berücksichtigen.

Webprojekte leben, sie existieren eigentlich permanent

Navil Brody charakterisierte das Medium Web 1995 im Rahmen eines Symposiums in
Berlin folgendermaßen:

"Das Internet ist ähnlich einem Aquarell, dessen Farbe nie trocknet, einer Skulptur,
deren Material nie aushärtet".

Die Dynamik des Medium sollte nicht dazu verleiten, definierte Schritte als unerreichbar
anzusehen, sondern bereits im Planungsstadium an eine permanente Aktualisierung
zu denken.

Methoden dafür sind:
adäquate Verzeichnisstruktur und Zugriffsrechte des Webspaces
Namenssystematik für Verzeichnisse und Dokumente
Templates und Vorlagen
dynamische Web-Sites
Content - Management Systeme
Overbranding

Welche Fragen (technisch/organisatorischer Natur) gilt es zu klären ?

Wie soll das Projekt dokumentiert sein ?
Wer liefert, woher stammen die Quellen / Beiträge ?
Existieren entsprechende Nutzungsrechte ?
Welche Datenformate sind zulässig ?
Wie erfolgt der Datentransfer (Datenträger, FTP, ...) ?
Welche Aktualisierungsintervalle sind geplant
Was wird "outgesourced" ?
Ist eine Einschulung der Aktualisierer notwendig ?

Welche Prinzipien (technisch/organisatorischer Natur) sollten beachtet werden ?

Erstellen Sie eine klare Gliederung des Themas.
Wählen Sie sinnvolle Metaphern (ausgedrückt im Dokumentaufbau, der Ikonografie,
    den Farben, den Begriffen und der Auswahlmenüs).
Stellen Sie eine konsistente grafische Schnittstelle (GUI) bereit.
Benutzen Sie relative Verweise
Geben Sie Empfehlungen für Authoring-Software

[1.2] Design und Gestaltung (Projektdesign)

In dieser Phase ist ein Ansatz zur Realisierung des Projektes zu bestimmen. Dabei gilt
es zuerst die Form des Projektes = Projektart zu definieren. Es stellt sich die Frage
nach den Prämissen für das Projekt. Eine einheitliche Form stärkt zusätzlich Identität
und Wiedererkennbarkeit.

CI - CD - CL

Am Anfang steht die Corporate Identity. Was immer kommuniziert wird, ist nicht
Selbstzweck, sondern unterliegt - so zumindest die Annahme - einem höheren Zweck.
Der Kern dieses höheren Zweckes könnte als Identität ausgemacht werden. Sie bestimmt
die Form und den Inhalt. Da in der Kommunikation Form und Inhalt bekanntlich untrennbar
miteinander verwoben sind (es gibt keinen Inhalt ohne Form und auch keine Form ohne
Inhalt - alles hat Kommunikationscharakter), ist aus der (Corporate) Identity das
(Corporate) Design unmittelbar abzuleiten.

Das Corporate Design verleiht einem Unternehmen und seinen Produkten ein klares,
prägnantes Profil. Dadurch versucht man sich von anderen Unternehmungen abzuheben.
CD ist ein Instrument innerhalb der Identitätsstrategie, das die Botschaften eines
Unternehmens in einem reizüberfluteten Medienmarkt (z.B.: Internet) unverwechselbar
macht. Somit ist die Einhaltung der CD-Vorgaben verpflichtend, da dadurch die Identität
des Unternehmens klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird.

Für die klassischen Medien (Printmedien, Rundfunk und Fernsehen, ..) existieren in den
meisten Unternehmen bereits ausführliche Dokumentationen (CI Manuals) über die Umsetzung
des CDs in der Form von CLs = Corporate Layout. Insbesondere die Vorgaben des CL für
klassische Medien können für das Screen Design nicht oder nur ansatzweise übernommen
werden.

Printmedien versus digitale Medien

Klassische Medien, insbesondere Printmedien, unterscheiden sich von den digitalten
Medien vor allem in ihrer Darstellung (Papier versus Bildschirm), aber auch in den
Kommunikations- und Informationsstrategien.

Papier wird meist im Hochformat eingesetzt - Bildschirme besitzen ein Querformat.
Druckwerke sind hochauflösend (bis 3000 dpi) - Bildschirme sind niedrig auflösend (70 bis 90 dpi)
Druckwerke benutzen eine subtraktive Farbmischung - Bildschirme eine additive Farbmischung
Die Farben der Druckwerke sind gut kontrollierbar - die Farbwiedergabe der
    unterschiedlichen Bildschirme hängt von zu vielen Parametern ab, als eine 100%ige
    Kontrolle (je nach Zielgruppe) nahezu unmöglich ist.
Druckwerke sind in ihrer Gestalt irreversibel - während das WWW als reversibles
    (vom Betrachter beeinflußbar) Medium gestaltet wurde. Jüngste Entwicklungen zur
    Layoutkontrolle (wie CSS) werden von unterschiedlichen Browsern sehr unterschiedlich
    behandelt.
Druckwerke führen leicht zu Medienbrüchen - die Medienintegration der digitalen Medien ist
    ihr größtes strategisches Potential.
Druckwerke sind statisch - digitale Medien dynamisch, ständig im Fluß.

Daraus folgt für das Screen Design

Verwenden Sie
Groteskschriften (serifenlos) für das Screen Design (Arial, Verdana,..)
Webkompatible Farben
im Vergleich zum Papier: geringeren Text-Hintergrundkontrast
Überblicksdarstellungen bei größeren Webdokumenten
Begrenzte Zeilenlängen (bzw. Spalten) bei umfangreichen Texten (Tabellen oder Stylesheets)
Hypertexte statt lange sequentielle Texte
Integration von Medien
Feedback und Kommunikation

Das Ergebnis der Phase 2

Gestaltungsraster für die wichtigsten Dokumentarten (Einstiegsseite, Überblicksseiten,
    Text- bzw. Beschreibungsseiten)
Definierte Farben und Topografie

Qualitätskontrolle

Die Entwürfe sollten, bevor sie für die Produktion freigegeben werden, einer Qualitätskontrolle
unterzogen werden.
wurde das CI und CD eingehalten ?
kann die Zielgruppe (technisch, inhaltlich, visuell) angesprochen werden ?
Sind die geplanten Inhalte unterzubringen ?
Können Änderungen (leicht) vorgenommen werden ?
Ist das Konzept erweiterbar ?

[1.3] Projektgruppe, -manager und -teams (Projektplanung)

Nachdem die Rahmenbedingungen für das Projekt definiert sind, können die einzelnen
zu erledigenden Aufgaben den vorhandenen Ressourcen zugeordnet werden. Ein Zeitplan
mit Terminierung ist nötig. Eine grobe Kostenschätzung lässt sich, basierend auf dem Produkt
bestehend aus Zeit und Ressourcen, bestimmen.

Für die Entwicklung z.B.: von Multimedialen Anwendungen ist zu definieren, wer in das
Projekt eingebunden werden soll. Daraus resultiert eine Projektgruppe, die sich aus
Mitarbeitern mit fachlicher und wirtschaftlicher Kompetenz zusammen setzen wird.

Innerhalb einer Projektgruppe ist ein Projektmanager (Projektleiter) zu ernennen. Die
Definition des Projektmanagers resultiert meistens aus der Frage, wer für die Betreuung
des Projektes am geeignetsten ist und wer auch die entsprechende Verantwortung tragen
kann. Dabei hat der Verantwortliche folgende Aufgaben wahrzunehmen:
Kontakt und Verhandlungen mit übergeordneter Management Ebene (z.B.: LV-Leiter)
Motivation und Anleitung des Teams
Lösen von Problemen innerhalb des Teams
Ziel- und Qualitätskontrolle

Bei größeren Multimedia Projekten sollten innerhalb einer Projektgruppe Projektteams
gebildet werden. Dabei empfiehlt es sich auf drei Projektteams aufzubauen:
Designteam - ist für den inhaltlichen Aufbau verantwortlich (Gestaltung, Design,
    Didaktik usw.). Die Ergebnisse der Arbeit werden dabei im Regiebuch festgehalten.
Medienteam - ist für die Erstellung der Assets (Medien) zuständig. Grundlage für die
    Arbeit des Teams ist das Regiebuch.
Entwicklungsteam - ist für die technische Umsetzung des Regiebuches und die Integration
    der Medien zuständig.

Nachdem die Kosten des Aufwandes jenen des erwarteten Nutzen aus dem Projekt gegenüber
gestellt sind, die Motivation der Projektgruppe gegeben ist sowie die gesetzlichen Grundlagen
abgeklärt wurden kann der Projektstart erfolgen.

Der Startschuss kann in Form eines Kick-off-Meeting (Firtsfeier) gegeben werden.

[1.4] Template und Grafiken (Projektdurchführung)

Die einzelnen Arbeitsgruppen - vor allem Design- und Medienteam - innerhalb eines
Projektteams beginnen nach dem Startschuss mit der Produktion der Grundelemente, die
als Grundlage für die Realisierung zur Verfügung stehen sollen.

Die Elemente und Grundlagen zuerst

Sind die Entwürfe, die Scribbles abgesegnet, so kann mit der Produktion der Grundlagen
begonnen werden. Nicht nur hier gilt die Methode: Bottom-Up etwa im Sinne des Dexter
Referenzmodelles.
D. h. zuerst werden die Komponenten erzeugt, die Speicherebene festgelegt und die
Präsentationsspezifikationen definiert. Beginnen Sie also mit der Produktion von:
Texten und Bildern (Medienteam)
Videos und Audiodateien (Medienteam)
Stylesheets (Designteam) und
Templates=Vorlagen (Designteam)

Trennen Sie während der Produktion den Filesespace vom Webspace nicht nur wegen der
unterschiedlichen Datenformate, sondern auch wegen der unterschiedlichen Zugriffs- und
Rechtestruktur.
Moderne Produktionssysteme gehen überdies von einer gemeinsamen "Urproduktion"
sowohl für klassische Medien, als auch für digitale Medien aus. Sichern Sie sich bei
Fremdproduktionen daher auch die Verwertungsrechte auch für "digitale Medien".

Die Navigationsstruktur

Empfehlenswert ist die Dokumentation der Navigationsstruktur. Manche Web-Autoren-
werkzeuge (z. B. Adobe Golive) verfügen im Rahmen des Site Managements auch über
eine grafische Repräsentation des Navigationsnetzes (Diagramme genannt). Für die
Dokumentation bestehender Systeme sind diese meist gut geeignet.

Prüfen Sie die Navigation auf Plausibilität:
Ist diese für den Benutzer logisch aufgebaut, nachvollziehbar?
Verwenden Sie Begriffe und/oder Symbole ?
Die Navigationstiefe soll flach, nicht tief sein (wenige Mausklicks sollten zu den wichtigsten
    Inhalten führen).
Hängende Verweise ausmärzen.
Sackgassen (Dokumente ohne Verweis auf Basisseiten) vermeiden.
den Kontext wahren (um welches Thema handel es sich)

Der Funktionstest

Den Abschluß der Grundlagenproduktion bildet der Funktionstest:
Stellen Sie fest, ob die inhaltliche Struktur, der Navigationsstruktur entspricht.
Achten Sie darauf, daß die Rubriken der Navigation ungefähr gleich mächtig besetzt sind.
Überdenken Sie bei der Verwendung von Frames die Semantik möglicher Kombinationen.

[1.5] Umsetzung und Produktion

Der Aufbau der Website

In Phase 4 kann mit dem schrittweisen Aufbau der Website begonnen werden. Alle
erarbeiteten Vorlagen, Stylesheets, Templates, Rastern, Farb- und Typographievorgaben
sollten strikt eingehalten werden.
Stellen sich die Vorgaben als lückenhaft heraus, so sind die Vorgaben und Vorlagen
ehestbaldig zu ergänzen bzw. zu korrigieren.

Die Produktion ist materiell und entsprechend auch zeitlich die umfangreichste Phase, aber
auch die entspannendste und ruhigste Phase. Wurden die Aufgaben der vorgehenden
Phasen vollinhaltlich erfüllt, so besteht die Arbeit der Produktion im wesentlichen aus:
dem Adaptieren und optimieren der Quellen (webkompatible Datenformate)
dem Montieren der Elemente in den Templates und Vorlagen.

Die Kür zum Schluß

Lassen Sie sich beim Entwurf und der Produktion nicht von besonderen Effekten verleiten.
Der Satz: "ein Bild sagt mehr als tausend Worte" stimmt zwar in Bezug auf die Darstellung
bestimmter Inhalte, kann jedoch nicht als Generalisierung übernommen werden.
Dasselbe gilt für die Möglichkeiten der Animation, des Bewegtbildes bzw. des Filmes.

Medienkompetenz als Medienproduzent zeigt sich nicht dadurch, daß alle Register technischer
Möglichkeiten gezogen werden, sondern dass diese sinngemäß eingesetzt werden.

Jüngste Erkenntnisse der Benutzerforschung zeigen z. B. daß der "Rollover" Effekt bei
Navigationselementen unproduktiv ist, weil die meisten (geübten) Benutzer den "Klickvorgang"
bereits eingeleitet haben, bevor die Position des Navigationselementes erreicht wurde.
Der Roll-over Effekt kann also keine Funktion zur Sinnverbesserung haben.

Sollten Sie dennoch der Meinung sein, daß (ungeplante) Animationen, Formulare, .. usw sinnvoll
ergänzt werden können, dann zum Schluß.

[1.6] Test und Publikation

Der Abnahmetest

Bevor eine Website in "Publikation" geht, ist ein ausführlicher Abnahmetest vonnöten.
Bringen Sie vor dem Abnahmetest die Dokumente auf einen Webserver, der dem
geplanten Publikationsserver weitestgehend entspricht. Achten Sie auf absolute Gleichheit
des Server-Betriebssystems und der Serversoftware.

Checkliste für den Test

Der Abnahmetest wird am besten von bei der Produktion unbeteiligten
Personen durchgeführt. Entsprechend dere definierten Zielgruppe sollten
entsprechende Betriebssystemvarianten und Browservarianten eingesetzt
werden.Dabei sollten diese nicht intuitiv vorgehen, sondern nach einer
vordefinerten Checkliste.

Solche Checklisten enthalten folgende Dimenstionen:

Test der Einzelseite (Titel, Metatags, Aufbau, Position der Grafiken, Kontraste/Lesbarkeit)
Test der Grafiken (entsprechede Formate, Kompression, Image Maps, Alt-Tags)
Funktionsprüfung (Buttons, Formulare, Scripts, Frame-Aufrufe)
Formalita (Zitate, Urheberrechte)
Netztest (Onlineverhalten, Anmelden bei Suchmaschinen, paralleler Aufruf von mehreren
    Arbeitsplätzen)

[2] Usability und Software-Ergonomie

"Usability rules the Web" sagte Jakob Nielsen (Web-Guru aus CA. USA) in einer Veröffentlichung.
Die menschengerechte Gestaltung wird vor allem durch die Benutzerschnittstelle (User-Interface)
bestimmt. Die Grundlagen der Mensch-Maschine-Kommunikation - Usability und Software-Ergonomie -
stellen somit einen unverzichtbaren Grundstock für Multimedia-Designer dar.

Vorweg noch einige Definitionen:
Unter HCI (Human-Computer-Interaction) werden alle Komponenten der Mensch-Maschine-
    Kommunikation verstanden. Hauptziel der Forschungsrichtung HCI ist die Kluft zwischen
    Mensch und Computer so umzukehren, dass sich nicht der Mensch dem Computer anpassen
    muss, sondern sich die Technik an den Menschen anpasst.
Unter Usability wird die Benutzerfreundlichkeit bzw. die Benutzbarkeit verstanden

HCI und Usability sind relativ junge Teilgebiete der Informatik. Seit dem der Mensch und nicht
mehr die Maschine im Vordergrund steht sind diese Fachgebiete in der Umsetzung unerlässlich
geworden. Kein Softwareanbieter kann es sich heutzutage erlauben "Software" ohne Betrachtung
grundlegender software-ergonomischer Kriterien, Regeln und Normen zu erstellen. Eine
ergonomische und menschengerechte Gestaltung sind mittlerweilen entscheidend für den Erfolg
bzw. Misserfolg von Multimedia Systemen.

Das User-Interface wird als die "Visitenkarte" eines Systems (Software wie Multimedia-System)
angesehen. Die Benutzerakzeptanz wird dabei nur bei jenen Systemen hoch sein, bei denen die
Regeln der Software-Ergonomie eingehalten wurden.

[2.1] Human-Computer-Interaction

Kommunikation ist die Verständigung (Informationsaustausch) zwischen Menschen, Menschen
und Maschinen oder zwischen Maschinen. Werden dabei Informationen in Form von Text, Sprache,
Bildern und Videos wechselseitig ausgetauscht spricht man von Telekommunikation. Wird die
Telekommunikation noch um die Möglichkeit einer Interaktion erweitert, so liegt eine "echte"
Multimedia-Kommunikation vor.

Die Semiotik (Lehre von Zeichen) stellt in der Kommunikation die Grundlage dar. Die
Kommunikation die zwischen Sender und Empfänger erfolgt, läuft dabei auf drei Ebenen ab.

Syntaktik:
Beschreibt und analysiert die Beziehung zwischen
verschiedenen Zeichen und versucht sinnvolle
und zulässige Zeichenketten festzustellen.

Semantik:
Untersucht die Beziehung zwischen den Zeichen
und den Objekten. Jedes Zeichen hat eine Bedeutung.
Das Zeichen "bezeichnet ein Objekt. Das Objekt
kann auch ein Begriff oder Gedanke sein.
(nicht nur Gegenstände sind Objekte)

Pragmatik:
Untersucht die Beziehung zwischen Zeichen und
ihren Benutzern. Pragmatik beschäftigt sich mit
der Anwendung und Wirkung von Zeichen.

Unterschiede in der Info.verarbeitung zwischen Mensch und Computer

Beim Design von Multimedia-Systemen müssen die Stärken und Schwächen der menschlichen
Informationsverarbeitung gegenüber den Vorteilen und Nachteilen von Computern berücksichtigt
werden Nach Wickens (1984) ergibt sich folgende Gegenüberstellung:

Gegenüberstellung

Mensch

Computer

Empfindlichkeit für Reize (visuelle, auditorische, taktile)

Präzises Zählen und Messen physikalischer Größen

Fähigkeit zum induktiven Denken und komplexen Problemlösen

Deduktive Operationen, formale Logik, Anwenden von Regeln

Bildung von vernetztem Wissen und Behalten über große Zeiträume

Speichern großer Datenmengen, die nicht aufeinanderbezogen sind

Flexibilität bei Entscheidungen auch in neuartigen Situationen

zuverlässige Reaktion auf eindeutig definierte Eingangssignale

Entdecken unscharfer Signale, auch vor einem Rauschhintergrund

zuverlässige und ermüdungsfreie Performanz über langen Zeitraum

Die wohl wesentlichsten Stärken des Menschen gegenüber einen Computer liegt im Erkennen und
Klassifizieren unscharfer und komplexer Signale und der Fähigkeit Zur Vernetzung von Wissen.

Der Mensch und Usability

Unter Usability werden nach ISO 9241/Teil 10 folgende Faktoren zusammengefasst:
einfache Erlernbarkeit eines Systems (intuitives Verstehen)
Berücksichtigung von Vorwissen (Erwartungskonformität)
Fehlerrobustheit (Fehlertoleranz)

Usability soll dem Benutzer erlauben, Software oder Multimedia-Systeme ohne Schwierigkeiten
und ohne dicke Handbücher zu bedienen !
Usability steigert auch die Wirtschaftlichkeit eines Systems. Es werden Einschulungszeiten reduziert
und motivieren darüberhinaus noch den Benutzer.

Methoden zur Beurteilung von Usability in der Forschung sind:
Fragebögen - Erhebung des subjektiven Eindrucks
Logfile-Registrierung - objektive Leistungsmessung
Video Beobachtungen im Labor oder im Feld

Der Mensch und Software-Ergonomie

Ziel der Software-Ergonomie ist die Anpassung von Software-Systemen an den Menschen !

Die Gestaltung eines Systems (Software) erfolgt anhand von vier Aspekten (nach Oberquelle):
menschengerechte Gestaltung - Unterstützung der Benutzer mit ihren individuellen Stärken.
    Daher sind für das Design Kenntnisse über Wahrnehmung, Denken sowie Lernen notwendig.
aufgabenangemessene Gestaltung - Beachtet die unterschiedlichen Einsatzgebiete eines Systems.
technikbewußte Gestaltung - Neue Technologien werden zum Wohl des Benutzers eingesetzt.
organisationsgerechte Gestaltung - Berücksichtigt die Einbindung des Benutzers in dessen Team.

Kriterien für die Benutzerfreundlichkeit

Zur Beurteilung der Benutzerfreundlichkeit ist ein Basiswissen zu den Themen "menschliche Informations-
verabeitung" und "menschliches Lernen" notwendig.

Nach Ulich (1994) sind sieben Kategorien zu sehen:
Transparenz - Benutzer hat den größtmöglichen Überblick über den Zustand des Systems
Konsistenz - Das Systemverhalten bei gleichartiger Ein- und Ausgabe muss ähnlich sein.
Toleranz - Fehler müssen behebbar sein, ohne einen Prozess neu starten zu müssen
Kompatibilität - Das System sollte an die Gepflogenheiten des Benutzers angepasst sein.
Unterstützung - Das System besitzt eine benutzerangepasstes Hilfesystem.
Flexibilität - Abfolge der Arbeitsschritte und die Ablaufgeschwindigkeit sind dem Benutzer angepasst.
Partizipation - Das System muss durch Rückmeldungen der Benutzer laufend aktualisiert werden können.

Guidelines (Style-Guides von Jakob Nielsen; DIN-Normen; ISO-Normen) bieten praktisch erprobte
Regeln, die dem Entwickler Richtlinien zur Darstellung von Informationen zur Hand geben. Nach den
sieben Prinzipien sollen/können Informationen dargestellt werden:
Lesbarkeit (legibility)
Verstehbarkeit (comprehensibility)
Konsistenz (consistency)
Unterscheidbarkeit (discriminalibility)
Erkennbarkeit (dedectability)
Prägnanz (conciseness)
Klarheit (lucidity)

[2.2] Optimierung der Arbeitsplatzgestaltung

Das User-Interface ist die zentrale Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Für die software-
technische Realisierung von HCI existieren drei Modell, die aber in diesem Zusammenhang
nicht näher erläutert werden. Wichtiger für den Zusammenhang sind Regeln für die Navigation,
die Benutzerdialog- und die Menügestaltung.

Die Navigation

Navigation ist der zentralen Usability-Aspekt in einem Multimedia-System, um Ordnung und
Struktur zu bilden. Navigation wird dabei meistens durch Benutzermenüs, Navigationsschaltflächen
oder einfachen Hyperlinks realisiert.

Definition: Unter Navigation wird eine Anzahl von Auswahlmöglichkeiten verstanden, die durchlaufen
werden müssen, um zur gewünschten Information zu gelangen.

Allgemeingültige Grundsätze zur Umsetzung von Navigationselementen:
Interaktionsminimierung - Mit nicht mehr als drei Interaktionen muss die notwendige
    Information erreicht werden.
Ortscodierung - Navigationselemente sollen konsistent immer an der selben Stelle untergebracht sein.
Interaktionstransparenz - Die Benutzer erkennen zu jeder Zeit welche Navigation zur Verfügung steht.
Metapherkonsistenz - Navigationselemente (Symbole) sollen möglichst immer für die gleiche Funktion
    Funktion verwendet werden.

Zur Beschreibung der Navigation haben sich vier Pfadtypen herauskristallisiert:
einfacher Pfad
    Kein Knoten (Menüseite) wird zweimal berührt. Ausgangs- und Endpunkt sind verschieden.
Pfad mit zwei Richtungen
    Von einem Ausgangspunkt können verschiedene Endpunkte erreicht werden und von dort wiederum
    über die gleichen Zwischenknoten zum Ausgangsknoten zurück.
Rundweg
    Der Pfad führt zum Ausgangsknoten zurück; kein Knoten wird zweimal berührt.
Integrativer Rundweg
    Der Pfad ist ein klassischer Rundweg; es besteht jedoch auf dem Rundweg die Möglichkeit
    weiter Rundwege zu starten.

Klassifikation des Navigationsverhaltens auf Basis der Pfadtypen:
Scanning - längere einfache Pfade und kurze Rundwege.
    Typisches Navigationsverhalten für Benutzer, die weiträumig, aber nicht systematisch Suchen.
Browsing - viele große Rundwege und wenig integrierte Rundwege.
    Navigationsverhalten eines Benutzers, der basierend auf Neugier verschiedene Optionen wählt.
Searching - große Pfade mit zwei Richtungen
    Navigationsverhalten eines Benutzers, der aktiv sucht mit häufigen Anspringen des Endknoten
    und einer immer wiederkehrenden Rückkehr zum Wurzelelement.
Exploring - viele einfache Pfade
    Typisches Navigationsverhalten für globales und eher systematisches Erkunden.
Wandering - viele integrierte Rundwege mittlerer Größe.
    Es handelt sich dabei um eher passive Sucher.

Die Art der Navigation in einer Datenstruktur hängt natürlich auch von den Zugriffsmöglichkeiten
der Benutzer ab. Die jeweilige Art der Navigation wird auch die Repräsentation der Datenstruktur
bei den Benutzern beeinflussen.

Die Benutzerdialoggestaltung

In der ISO-Norm 9241/10 liegen folgende Grundsätze zur Dialoggestaltung vor.

Aufgabenangemessenheit:
Sind Auswahl (options) oder Erklärungen der Aufgabe angemessen ?

Selbstbeschreibungsfähigkeit:
"Ein Dialog ist selbstbeschreibungsfähig, wenn dem Benutzer auf Verlangen Einsatzzweck sowie
Leistungsumfang des Dialogsystems erläutert werden können und wenn jeder einzelne
Dialogschritt unmittelbar verständlich ist oder der Benutzer auf Verlangen dem Dialogschritt
entsprechende Erläuterungen erhalten kann". (Definition laut DIN-Norm).
Beschreibe (stelle dar) und verwende Handlungsabläufe unseres alltäglichen Lebens ! Die wohl
wichtigsten Vertreter für Selbstbeschreibungsfähigkeit sind wohl die "Icons". Vor allem
animierte Icons werden in der Benutzerdialoggestaltung eingesetzt um Transparenz (Forderung
der Benutzerfreundlichkeit) umzusetzen.

Steuerbarkeit:
Gibt es Optionen, die bei der Navigation helfen ?

Erwartungskonformität:
"Ein Dialog ist erwartungskonform, wenn er den Erwartungen des Benutzers entspricht, die sie
aus Erfahrung mit Arbeitsabläufen mitbringen, die sie während der Benutzung eines Dialogssystems
bilden". (Definition DIN-Norm).
Das Dialogverhalten innerhalb eines Dialoges soll einheitlich sein. Systeme müssen in identischen
Situationen sich auch identisch verhalten. Eingabeaufforderungen sollten immer derselben
Satzsyntax folgen und sich aus einem klar eingegrenztem Wortschatz aufbauen.

Fehlerrobustheit:
Getroffene Entscheidungen dürfen nicht auf Grund eines nicht funktionierenden Teiles (meistens
Hardware) in eine Sackgasse führen.

Individualisierbarkeit:
Anpassung der Dialoggestaltung auf Grund der Zugriffsrechte bzw. der Machbarkeit.

Acht goldene Regeln zum Dialogdesign: (Shneidermann)
Der Benutzer muss immer über den aktuellen Zustand des Systems informiert sein !
Jede Bildschirmseite soll nur einen Gedanken darstellen !
Anweisungen und Erläuterungen müssen eindeutig und unmissverständlich Formuliert sein !
Abkürzungen und beschreibende Symbole müssen konsistent über das System verwendet werden !
Jede letzte Aktion muss widerrufbar sein !
Eine Übersicht über alle Funktionen muss jederzeit abrufbar sein !
Dialogtexte müssen einheitlich und motivierend formuliert sein !
Systeme müssen sich in identischen Situationen auch identisch verhalten !

Das System muss dem Benutzer stets auf die Frage, "Wo bin ich ?", "Was kann ich jetzt machen bzw.
nicht machen ?"
und "Wie kann ich dahin kommen, wo ich will ?" antwort geben können.

Die Menügestaltung

Eine Auswahl kann bei Software oder Systemen entweder über eine Menügestaltung oder direkt über
eine Kommandosprache erfolgen. Viele Vorteile sprechen dabei für die Menüauswahl, es gibt jedoch
Vorteile durch Verwendung einer Kommandosprache.

Der Maskenentwurf

Jede Bildschirmmaske muss so aufgebaut sein, dass gleichartige Informationen jeweils an der selben
Stelle des Bildschirmes sich befinden. Nach DIN 66 290/1 werden dabei vier Informationsklassen
Informationsteil - Verarbeitungsteil - Steuerungsteil und Meldungsteil unterschieden.

[2.3] Gestaltungsregeln

Nachstehende praxisrelevanten Gestaltungsregeln sollen für die Benutzbarkeit herangezogen werden:
Piktogramme und Icons müssen konsistent die gleiche Bedeutung und Funktion haben !
Wichtige Informationen müssen zur leichteren Orientierung hervorgehoben werden !
Hervorhebungen dürfen nicht mehr als 10% aller Einzelinformationen betreffen !
Hervorhebungen müssen ebenfalls konsistent gewählt werden !
Invertierungen nur sparsam einsetzen !
Blinkende Zeichen dürfen nur in Ausnahmesituationen und nur für kurze Zeit eingesetzt werden !
Auch das wechseln von Bildinhalten (Rollover) zieht die Aufmerksamkeit stark auf sich -> sparsam !
Akustische Signale müssen vom Benutzer stets abgestellt werden können !
Farben dürfen nur sparsam und dann überlegt eingesetzt werden !
Relevante Informationen müssen mit starkem Kontrast versehen sein !

Detailliertere Regeln werden zu einem späteren Zeitpunkt in den jeweiligen Modulen behandelt.